Umziehen ist wie Schluss machen

Dirty bootsAls ich im März 2005 in diese Wohnung einzog, war ich verliebt bis über beide Ohren. In den ersten Monaten machte mein Herz einen Satz jedes Mal, wenn ich über die Schwelle trat. Ich putzte mindestens einmal die Woche (auch die Fenster!) und dekorierte was das Zeug hielt, kaufte Blumen und Tischdecken und achtete penibel darauf, dass meine Besucher sich die Schuhe auszogen, bevor sie den empfindlichen Holzboden betraten. Seitdem ist fast eine Dekade vergangen und mit ihr die Verliebtheit. Die Blumenvasen tragen Staub und die letzte Tischdecke wurde nach einem unschönen Rotweinunfall nie ersetzt. Sogar den dreckigsten Handwerkerstiefeln gewähre ich inzwischen Einlass ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Es ist wie mit meinen Liebesbeziehungen. Zugegeben, der Vergleich mag hinken, allein schon deshalb, weil keine meiner Beziehungen auch nur annähernd so lange währte wie mein Mietvertrag. Und dennoch: mein Verhalten weist einige Parallelen auf. Die Herzfrequenz ändert sich zu Beginn einer Beziehung, meine Beine sind stets frisch rasiert und ich betreibe mehr Körperpflege als sonst. Ich koche und backe und tue alles, um dem Liebsten meine Zuneigung zuteil werden zu lassen. Nach wenigen Monaten allerdings lässt mein Engagement nach und ich fange an, die Dinge schleifen zu lassen. Statt selbst zu kochen bitte ich den Vietnamesen an der Ecke es zu tun, und ich erwische den ein oder anderen Sockenfussel dabei, wie er sich in den Stoppeln an meinem Unterschenkel verfängt. Womöglich ist genau das der Grund dafür, dass meine Mietverträge länger dauern als meine Beziehungen. Und hätte meine Wohnung die Chance gehabt, mit mir Schluss zu machen, sie hätte es höchstwahrscheinlich längst getan. Nächste Woche nun beziehe ich meine neue Wohnung und allein der Gedanke daran lässt mein Herz schneller schlagen! Ich gelobe Besserung und verspreche an dieser Stelle hoch und heilig, auch in acht Jahren noch mit frisch gewaschenem Haar und rasierten Beinen die Fenster zu putzen.

blog away

Blogger sind mir suspekt. Ich frage mich, was in einem bloggenden Kopf vorgeht, just in dem Moment, in dem er (der Kopf) sich daran macht, einen neuen Gedankenerguss niederzuschreiben, um dann selbstgefällig auf den „Veröffentlichen“-Knopf zu drücken. Ein geradewegs narzisstischer Akt. Ein Akt der Autophilie, der den eisernen Drang nach Vermächtnis und Affirmation bedient. Ganz so, als könne die Welt nicht weiter existieren ohne des anmaßenden Bloggers Beitrag. Jetzt, da ich selbst blogge, darf ich mir ein derartig harsches Urteil erlauben. Ich beobachte also genau, was in meinem eigenen Kopf vorgeht in diesem Augenblick und komme nicht umhin, eine gewisse Versagensangst zu bemerken. Was, wenn dies niemand liest? Oder schlimmer – was wenn jemand die ersten zwei Zeilen liest und sich gelangweilt abwendet? Oder am schlimmsten – was, wenn jemand, der mich kennt, die ersten zwei Zeilen liest, sich gelangweilt abwendet und im Zuge dessen jeglichen Respekt vor mir verliert? Eine solche Schmach soll einer ertragen! Womöglich sind Blogger also keine schnöden Narzissten, sondern vielmehr unerschütterliche Soldaten der Eigenpromotion im besten Sinne des Wortes. Kritiker und Spötter sind ihnen egal in der schonungslosen Verbreitung ihrer Gedanken! Der Gedanke gefällt mir. Ich drücke jetzt also auf den „Veröffentlichen“-Knopf.